Zehn Cent für den Strom: Was es bei Doskozils neuer Energiegemeinschaft zu beachten gilt

Okt. 22, 2024

Erstmals will im Burgenland ein Landesenergieversorger im großen Stil über eine Energiegemeinschaft günstig Strom zur Verfügung stellen. Das Modell hat Potenzial, sagen Experten, aber es gibt auch einige Tücken

Quizfrage: Was haben der Tennisspieler Dominic Thiem und der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) gemeinsam? Antwort: Beide machen neuerdings in Energiegemeinschaften. Das sind Vereine, die Stromerzeuger und Abnehmer direkt miteinander vernetzen sollen. Die Vereine entscheiden, zu welchem Preis Unternehmen und Haushalte aus der Energiegemeinschaft Strom beziehen können, sie müssen Erzeuger finden, die ihnen Strom verkaufen.

Nach einem schleppenden Start des Konzepts – Ende 2022 gab es österreichweit gerade einmal 165 Energiegemeinschaften – boomt das Modell. Allein im vergangenen Jahr wurden 1000 neue Energiegemeinschaften gegründet.

Und der Hype hält an: Der scheidende Tennisstar Thiem hat am Sonntag in der Wiener Stadthalle seine Abschlussshow absolviert und dabei seine im Juli neu gegründete Bürgerenergiegemeinschaft Thiem Energy beworben. Die Anmeldung für Interessierte läuft schon, für zwölf Cent netto je Kilowattstunde soll man hier seine saubere Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen können. Wenige Tage davor wurde in Eisenstadt die Energiegemeinschaft „Fanclub Burgenland Energieunabhängig“ vorgestellt. Burgenlands SPÖ-Klubobmann Roland Fürst sprach von einer „Revolution“ am Strommarkt, weil Vereinsmitgliedern für einen Fixpreis von zehn Cent netto Strom für 20 Jahre garantiert wird. Selbst Anpassungen an die Teuerung soll es nicht geben. Die Energiegemeinschaft startet am 1. Jänner 2025.

Die Dimensionen: Der Strom für die burgenländische Energiegemeinschaft wird laut Website des Fanclubs von mehreren Photovoltaikanlagen und dem Windpark Parndorf V kommen. Die erzeugte Menge an Strom entspricht rund 72 Millionen Kilowattstunden, was reichen würde, um den Bedarf von rund 19.000 Haushalten abzudecken, rechnet der Energiemarktexperte Lukas Stühlinger von Fingreen vor.

Aber wie funktioniert diese burgenländische Energiegemeinschaft, was ist dabei aus Sicht von Kundinnen und Kunden zu beachten?

Voraussetzung, um mitzumachen, ist neben Strombezug im Burgenland wie bei jeder Energiegemeinschaft ein Smart Meter, also ein digitales Gerät zur Erfassung des Verbrauchs. Wobei das inzwischen kein Hindernis sein sollte, da mehr als 90 Prozent der Haushalte laut Aufsichtsbehörde E-Control über ein solches Gerät verfügen.

Wann Strom geliefert wird

Wichtig zu wissen ist, dass eine Energiegemeinschaft nur dann Strom für ihre Mitglieder liefern kann, wenn PV-Anlagen und Windpark genügend erzeugen. Nur in diesen Stunden kann man die zehn Cent lukrieren. Ein typischer Haushalt im Burgenland bleibt darüber hinaus auch bei seinem bisherigen Lieferanten, im Regelfall der Energie Burgenland, Kunde. Die Energie Burgenland liefert in allen übrigen Stunden den Strom an die Haushalte und Unternehmen, die in der Energiegemeinschaft sind, und zwar zu höheren Nettopreis von aktuell 15,75 Cent. Der günstige Stromtarif lässt sich also nur dann voll ausnutzen, wenn die Sonne scheint und oder Wind weht.

Genau zu diesen Zeitpunkten gibt es inzwischen aber eine Reihe von anderen Möglichkeiten, um günstig Energie zu beziehen. So gibt es in Österreich Anbieter wie Awattar oder Smart Energy, die marktdynamische Preise anbieten, der in der Stunde abgerechnet werden und sich aus dem Börsenpreis plus einem Aufschlag zusammensetzen. Die Preise schwanken je nach Uhrzeit, liegen mitunter aktuell aber deutlich unter zehn Cent an sonnigen und windreichen Nachmittagen, am Wochenende können sie sogar negativ sein. Dann verdient man also am Verbrauch. Diese marktdynamische Preisgestaltung bietet keine Sicherheit, die Kosten können steigen. Welches Modell für Endkunden günstiger ist, lässt sich jedenfalls gar nicht so leicht sagen.

„Was es bräuchte, ist mehr Transparenz“, sagt deshalb Energiemarktexperte Stühlinger, der das Projekt gleichwohl für innovativ hält und Potenzial sieht. Aber: „Zehn Cent pro Stunde wie im Burgenland klingen super. Aber Verbraucher bräuchten eigentlich einen Überblick, was Strom zu diesen Lieferzeiten tatsächlich wert ist.“ Seiner Meinung nach müsste diese Information von der neuen Energiegemeinschaft kommen, denn hinter der stünden ja das Land und die Energie Burgenland.

Interessierte Kunden, die sich über stündliche Strompreise informieren möchten, haben es aktuell generell nicht einfach: Die E-Control veröffentlicht nur Tagesdurchschnittspreise, stündliche Preise lassen sich nur mühsam über die Börse abfragen oder über Anbieter.

Preise zuletzt unter zehn Cent

Die Tagesdurchschnittspreise lagen im Oktober unter der Zehn-Cent-Marke. Angesichts dieses Werts lässt sich verstehen, warum das Geschäft mit der Energiegemeinschaft auch aus Sicht der Energie Burgenland Sinn machen kann: Der Anbieter sichert sich mit der Energiegemeinschaft einen langfristigen Abnehmer mitsamt planbarem Preis, sagt Christoph Dolna-Gruber von der Energieagentur, einer staatlichen Einrichtung. Von Marktschwankungen nach oben profitiert man dann zwar nicht mehr, spürt aber auch nicht Schwankungen nach unten.

Stühlinger sieht noch weiteren Transparenzbedarf: So sollte in der Energiegemeinschaft offengelegt werden, zu welchem Preis man die PV- und Windkraftanlagen von der Energie Burgenland konkret pachtet. Auch das mache die Gesamtkosten für Interessierte abschätzbarer.

Angedacht waren Energiegemeinschaften ursprünglich dafür, den Strommarkt zu demokratisieren. Die Vereinsmitglieder legen ja die Konditionen fest. Spannend zu beobachten wird sein, wie viel von der Idee übrig bleibt, wenn große Unternehmen als dominante Lieferanten auftreten. Der Vorstand von „Fanclub Burgenland Energieunabhängig“ besteht einerseits aus einem von der burgenländischen Energieberatung entsendeten Mitglied, zwei Mitglieder wählen die Gründer des Vereins aus, in dem Fall die Rechtsanwaltskanzlei HBA. Ordentliche Vereinsmitglieder, also die Stromabnehmer, haben kein passives Wahlrecht für den Vereinsvorstand, das bleibt einer Subkategorie an Mitgliedern vorbehalten, die laut Statuten vom Vorstand zugelassen werden müssen. (András Szigetvari, 22.10.2024)

https://www.derstandard.at/story/3000000241587/zehn-cent-fuer-den-strom-was-es-bei-doskozils-neuer-energiegemeinschaft-zu-beachten-gilt